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Verlassen der Arbeit und Kündigung durch den Arbeitgeber

Unbefugtes Verlassen des Arbeitsplatzes – Kündigung möglich?

Ein unbefugtes Verlassen des Arbeitsplatzes während der Arbeitszeit, stellt in der Regel eine Pflichtverletzung der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers dar. Unbefugt ist das Verlassen dann, wenn keine Zustimmung des Arbeitgebers vorliegt. Eine Rechtfertigung (z.B. Krankheit) kann aber vorliegen. Derartige Fälle kommen im Arbeitsrecht nicht selten vor und sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber stellen sich die Frage, ob hier eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses möglich ist.

Pflichtverletzung durch unbefugtes Verlassen des Arbeitsplatzes

Dazu ist auch auszuführen, dass eine Pflichtverletzung nicht zwangsweise den Arbeitgeber zur Kündigung berechtigt. Zum einen rechtfertigen geringe Pflichtverletzungen noch nicht einmal eine Abmahnung und darüber hinaus ist beim steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers (Pflichtverletzung) in der Regel eine Abmahnung erforderlich. Typische Pflichtverletzungen sind auch: eigenmächtige Raucherpause Verlassen des Arbeitsplatzes zum Arbeitsende (früher Feierabend machen) fehlendes Ein- und Ausstempeln im Zeiterfassungssystem verspäteter Arbeitsantritt/ Zuspätkommen Verweigerung der Arbeitsleistung / Arbeitsverweigerung

Eine Pflichtverletzung berechtigt nicht automatisch zur Kündigung.

außerordentliche Kündigung beim unangekündigten Verlassen der Arbeit

Eine außerordentliche (fristlose) Kündigung dürfte beim unangekündigten Verlassen der Arbeit nur in absoluten Ausnahmefällen möglich sein. Bei einer einmaligen Pflichtverletzung ist in der Regel immer eine vorherige Abmahnung erforderlich. Nur bei schwersten Pflichtverletzungen oder wenn eine Abmahnung von vornherein aussichtslos ist (was selten vorkommt), kann ohne Abmahnung gekündigt werden. Eine außerordentliche Kündigung ist von daher beim Verlassen des Arbeitsplatzes während der Arbeitszeit in der Regel nicht möglich. Wenn eine solche aber durch den Arbeitgeber erklärt wird, dann sollte der Arbeitnehmer sich unverzüglich anwaltlich beraten lassen und fast immer wird der Anwalt dann zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage (in Marzahn zum Arbeitsgericht Berlin) raten. Notfalls geht dies auch über die Rechtsantragstelle. Beim Arbeitsgericht Berlin funktioniert diese ganz gut.

Wenn der Arbeitgeber aber abmahnt, dann kann er wegen dieses Sachverhalts nicht mehr kündigen, sondern erst ggfs. bei der nächsten gleichartigen Pflichtverletzung.

Interessenabwägung bei verhaltensbedingter Kündigung

Bei einer vorzunehmenden Interessenabwägung bei einer verhaltensbedingten Kündigung sind u.a. folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen: - schwere des Verstoßes - Einmaliger oder mehrfacher Verstoß? - Beharrliche, nachhaltiger Wille des Arbeitnehmers liegt vor? - Dauer der versäumten Arbeitszeit? - Erkennbarer Schaden auf Seiten des Arbeitgebers entstanden? - Bisheriger Verlauf und Dauer des Arbeitsverhältnisses?

ordentliche Kündigung beim eigenmächtigen Verlassen des Arbeitsplatzes

Aber auch bei einer ordentlichen Kündigung wäre der Arbeitnehmer zuvor - sofern nur eine einmalige Verletzung der Arbeitspflicht vorliegt - abzumahnen. Die Abmahnung dient dazu, dass dem Arbeitnehmer die Pflichtverletzung nochmals vor Augen geführt (Hinweisfunktion) und beim wiederholten Fehlverhalten eine Kündigung in Aussicht gestellt wird (Warnfunktion). Wie oben bereits ausgeführt wurde, ist eine Abmahnung nur in Ausnahmefällen entbehrlich. Ein solcher Fall könnte vorliegen, wenn der Arbeitnehmer z.B. den Arbeitgeber mit dem eigenmächtigen Verlassen des Arbeitsplatzes erpressen möchte und er mehrfach auf Konsequenzen zuvor hingewiesen wurde (beharrliche Arbeitsverweigerung). Auch ein Arbeitszeitbetrug (zumindest) im erheblichen Umfang kann sogar eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.

Wenn das Kündigungsschutzgesetz oder Sonderkündigungsschutz keine Anwendung finden, dann braucht der Arbeitgeber keinen Kündigungsgrund und kann auch hier ohne Abmahnung kündigen!

Arbeitsplatz verlassen wegen Krankheit - Kündigung möglich?

Eine andere Situation liegt vor, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit abbricht und seinen Arbeitsplatz aufgrund einer Erkrankung verlässt. Der Arbeitgeber muss hier nachweisen, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht richtig ist, was schwierig ist, da diese einen Anscheinsbeweis erbringt. Selbst ohne anschließende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung scheidet eine Kündigung aus, wenn der Arbeitnehmer glaubhaft vorträgt und ggfs. beweist (falls es darauf ankommt), dass er krank war.

Unterbrechen der Arbeit - unerlaubtes Rauchen während der Arbeitszeit

Auch hier beim Unterbrechen der Arbeit wegen Rauchens (eigenmächtige Raucherpausen) ist eine außerordentliche Kündigung nur in schweren Fällen denkbar, insbesondere wenn (wohl mehrfach) zuvor abgemahnt wurde. Auch ist erheblich, wie das Rauchen insgesamt im Betrieb gehandhabt wird (absolutes Rauchverbot?/ Pflicht zum Ausstempeln?). Hierzu gibt es diverse Entscheidungen. Denkbar ist eine außerordentliche, verhaltensbedingte Kündigung dann, wenn das Rauchen zwingend mit einem Ausstempeln verbunden ist und der Arbeitnehmer trotz Mahnung dies mehrfach nicht macht. Dann könnte hier ein Arbeitszeitbetrug vorliegen.

Rechtsprechung zum unberechtigten Verlassen des Arbeitsplatzes und Kündigung

Rechtsprechung dazu: 1. Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.04.2006 Az.: 10 Sa 49/06: fristlose Kündigung wegen wegen vorzeitigem verlassen des Arbeitsplatzes unwirksam - Küchenchef verlässt den Arbeitsplatz ungefähr 1,5 Stunden vor Dienstschluss - zuvor Streit mit Bekannten des Arbeitgebers - sodann arbeitsunfähig krank - Arbeitgeber kündigt fristlos, vorsorglich ordentlich - außerordentliche Kündigung unwirksam 2. LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 09.09.2015, 17 Sa 810/15 (Vorinstanz Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 26.03.2015- 24 Ca 12072/14)- Wachmann lässt Ausgangskontrolle lange Zeit ohne Grund unbeaufsichtigt - fristlose Kündigung wirksam - Wachmann (Sicherheitsdienst) zur Tor- und Ausgangskontrolle in Münzprägeanstalt eingesetzt - musste auch Personenkontrollen durchführen - machte private Erledigungen (vor Ort) und bringt unerlaubt einen Gegenstand zu seinem Kfz - einige Tage später wurde ein Ver­lust von Gold im Wert von un­gefähr 74.000,00 EUR festgestellt - fristlose Kündigung wirksam 3. LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.12.2011 - 9 Sa 136/11 - Arbeitnehmer vereinbart Schichtwechsel mit Arbeitskollegen ohne Zustimmung des Arbeitgebers und Arbeitnehmer geht vor Schichtende nach Hause - Kündigung unwirksam - Arbeitnehmer arbeitet im Schichtdienst und verlässt ungefähr 1 Stunde vor Schichtende die Arbeit, da die Maschine vom nächsten Schichtarbeiter schon genutzt wurde - tausch mit Kollegen die Schicht ohne Zustimmung des Arbeitgebers - Kündigung unwirksam, da keine Abmahnung

Zusammenfassung

Beim unerlaubten/ eigenmächtigen Verlassen des Arbeitsplatzes vor Arbeitsende liegt in der Regel eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers vor. Diese berechtigt den Arbeitgeber aber in der Regel nicht zur Kündigung (weder zur außerordentlichen, noch zur ordentlichen). Der Arbeitgeber hat in der Regel den Arbeitnehmer zuvor abzumahnen. Nur in sehr schweren Fällen ist eine Kündigung ohne Abmahnung möglich.

Als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht stehe ich Mandanten aus Berlin Marzahn-Hellersdorf gern für eine arbeitsrechtliche Beratung, insbesondere bei Kündigungen, zur Verfügung.

Andreas Martin
Andreas Martin