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Scheidung in Marzahn: gemeinsamer Anwalt möglich?

Scheidung in Marzahn: gemeinsamer Anwalt möglich?

Viele Eheleute - so auch in Marzahn - wollen sich einvernehmlich scheiden lassen. Die streitige Scheidung ist in Deutschland, zumindest in Berlin Marzahn Hellersdorf, die Ausnahme. Auch wenn Mandanten dies wahrscheinlich nicht vermuten, so ist es doch so, dass auch für den Anwalt im Normalfall die einvernehmliche Scheidung die bessere Variante ist. Eine streitige Scheidung, bei der sich die Eheleute um alles in den Haaren liegen, möchte im Normalfall auch der Anwalt nicht haben.

einvernehmliche Ehescheidung

Einvernehmlich heißt aber nicht, dass die Eheleute tatsächlich alle rechtlichen Problematiken überblicken und gleich lautende Interessen haben. Es gibt mit Sicherheit, auch bei der einvernehmliche Scheidung, viele Punkte, wo eigentlich entgegengesetzte Interessen der Eheleute vorliegen. Dies ist den Eheleuten aber häufig nicht bewusst. Der Anwalt muss darauf hinweisen und darf beide Eheleute meist nicht beraten und schon gar nicht vertreten.

gemeinsamer Termin für die Ehescheidung beim Anwalt

Oft bekomme ich Anrufe von Ehepaaren, die sich einvernehmlich scheiden lassen wollen (“Ich will mich mit meinem Ehepartner nicht streiten.”). Fast genauso oft meinen diese, dass beide Ehepartner im Scheidungsverfahren vom gleichen Anwalt vertreten werden können. Wenn man dann am Telefon erläutert, dass dies nicht möglich ist, stößt dies nicht selten auf Unverständnis und es wird vermutet, dass der Rechtsanwalt hier gegebenenfalls aus gebührendtaktischen Gründen nicht beide Eheleute vertreten will, was völlig falsch ist. Die Anwaltsgebühren für die Durchführung der einvernehmlichen Ehescheidung sind gleich hoch. Es gibt hier gesetzliche Mindestgebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).

keine Vertretung durch einen gemeinsamen Anwalt im Scheidungsverfahren

Ein häufiger Irrtum ist, dass es für beide Eheleute äußerst wirtschaftlich sinnvoll sein könnte, wenn beide nur einen Rechtsanwalt im Scheidungsverfahren beauftragen. Dieser gemeinsame Anwalt könnte dann faktisch die Scheidung für beide einreichen und beide Eheleute im Scheidungsverfahren vertreten. Um es kurz zu machen, dies ist auf keinen Fall möglich. Ein Rechtsanwalt kann immer nur einen Ehepartner im Scheidungsverfahren vertreten! Selbst die Beratung beider Eheleute ist problematisch. Von daher lehne ich auch von vornherein die gemeinsame Rechtsberatung in Familiensachen ab, diese für einen Ehepartner nachteilig sein kann. Dazu folgendes: Eine Vertretung beider Ehepartner im Scheidungsverfahren wäre nicht nur völlig unprofessionell, sondern ist auch schlichtweg nicht möglich, da dies nicht zulässig ist. Der Anwalt, der beide Eheleute im Scheidungsverfahren vertritt (und berät), hätte zudem ein strafrechtliches Problem (Interessenkollision).

gemeinsamer Scheidungsanwalt nicht möglich und unzulässig

Zu Recht sieht das Gesetz einen gemeinsamen Scheidungsanwalt für die Eheleute nicht vor. Dies hat auch nichts mit den Anwaltsgebühren zu tun, denn der Anwalt würde ja sogar, wenn er beide Eheleute vertreten könnte, etwas mehr Gebühren laut dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz erhalten. Man bekommt, nämlich dann eine gesetzliche Gebührenerhöhung, wenn man zwei Mandanten vertritt.

Interessenkollision fast immer denkbar

Der Grund dafür ist der, dass fast immer eine Interessenkollision vorliegt, auch wenn die Eheleute diese nicht sehen bzw. nicht sehen wollen. Dies gilt auch für eine einvernehmliche Scheidung. Das Verbot der Interessenkollision ist in § 43 a Abs. 4 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) geregelt. Dort heißt es:

"Der Rechtsanwalt darf keine widerstreitenden Interessen vertreten."

Es wird aber auch vertreten, dass unter bestimmen Voraussetzungen eine gemeinsame Beratung der Eheleute möglich ist. Eine gemeinsame Vertretung ist aber ausgeschlossen.

gemeinsame Beratung der Eheleute - Hinweispflichten des Anwalt

Der Anwalt, der beide Eheleute in der einvernehmlichen Scheidungssache berät, muss zu Beginn der Beratung auf eine mögliche Interessenkollision hinweisen. Macht er dies nicht, verliert er seinen Vergütungsanspruch. Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 19.09.2013 -IX ZR 322/12) führt dazu folgendes aus:

Urteil des Bundesgerichtshof zur gemeinsamen Rechtsberatung beider Eheleute durch einen Rechtsanwalt

"Die Klägerin hätte den Beklagten und seine Ehefrau vor der gemeinsamen Beratung darauf hinweisen müssen, dass ein Anwalt im Grundsatz nur einen von ihnen beraten kann, dass sie bei einer gemeinsamen Beratung nicht mehr die Interessen einer Partei einseitig vertreten darf, sondern sie die Eheleute nur unter Ausgleich der gegenseitigen Interessen beraten kann, und dass sie jedenfalls dann, wenn die gemeinsame Beratung nicht zu einer Scheidungsfolgenvereinbarung führt und widerstreitende Interessen der Eheleute unüberwindbar aufscheinen, das Mandat gegenüber beiden Eheleuten niederlegen muss mit der Folge, dass beide Eheleute neue Anwälte beauftragen müssen, so dass ihnen Kosten nicht nur für einen, sondern für drei Anwälte entstehen."

Familienrecht - umfangreiches Rechtsgebiet

Dem Wunsch nach einer gemeinsamen Beratung liegt oft die laienhafte Vorstellung der Eheleute zugrunde, es gebe auf alle familienrechtlichen Fragen jeweils eine eindeutige Antwort, die sich womöglich unmittelbar aus dem Gesetz (oder Tabellen) ergebe und der Rechtsanwalt solle dies einfach nur den Eheleuten mitteilen. Auch meinen die Eheleute, dass Sie die entscheidenden Fragen in Bezug auf Scheidung und Scheidungsfolgen bereits einvernehmlich, rechtswirksam geklärt haben.

Rechtsanwalt muss auf familienrechtliche Probleme hinweisen

Gerade das Familienrecht gibt es eine Vielzahl von unbestimmten Rechtsbegriffen. Der Anwalt muss umfassend beraten und fast jede - einvernehmlich getroffene Regelung der Eheleute - wird in der Regel für einen Ehepartner nachteilig sein. Selbst die Einreichung der Scheidung wird in der Regel für einen Ehepartner einen Nachteil haben, da z.B. so der Stichtag für den Zugewinnausgleich bzw. für den Versorgungsausgleich herbeigeführt wird.

Anwalt muss umfassende Rechtsberatung erteilen

Der Rechtsanwalt hat in der Regel kein Interesse die zwischen den Eheleuten getroffenen Regelungen "aufzurollen" und neu - für einen Ehepartner - zu verhandeln. Er muss aber auf Probleme hinweisen und was für einen Ehepartner hier ein Nachteil ist, ist fast immer für den anderen ein (finanzieller) Vorteil und von daher kann der Anwalt weder beide vertreten, noch - in der Regel - beide beraten.

Problem der Beratung beider Ehegatten im Scheidungsverfahren

Zwar kann eine gemeinsame anwaltliche Beratung der Eheleute zulässig sein (siehe dazu BVerfG v. 03.07.2003 – 1 BvR 238/01, NJW 2003, 2520), allerdings liegen selten dafür die Voraussetzungen vor. Ein professioneller Familienrechtsanwalt (Fachanwalt für Familienrecht) wird in der Regel nicht beide Eheleute beraten.

Zusammenfassung

Bei der Frage nach einen "gemeinsamen Anwalt" muss man zwischen Rechtsberatung zur Ehescheidung und Vertretung im Scheidungsverfahren unterscheiden:

Rechtsberatung

Eine Rechtsberatung beider Ehegatten gemeinsam beim Anwalt über die Ehescheidung ist zwar theoretisch möglich, aber fast immer problematisch. Der Anwalt weiß vorher auch nicht, ob die Eheleute sich tatsächlich über alle Probleme (Scheidungsfolgen) geeinigt haben. Oft wird dies nicht so sein, denn weshalb sollte dann dazu noch eine anwaltliche Beratung möglich sein. Von daher gehen professionelle Familienrechtsanwälte eine solche Beratung ab.

gemeinsame Vertretung im Scheidungsverfahren

Eine gemeinsame Vertretung beider Ehegatten im Ehescheidungsverfahren vor dem Familiengericht ist ausgeschlossen. Hier gibt es keinen rechtlichen Spielraum. Ein Scheidungsanwalt kann niemals beide Eheleute im Scheidungsverfahren vertreten!

eine Ehepartner hat einen Anwalt, der andere nicht

Davon ist die Konstellation zu unterscheiden, dass nur ein Ehepartner einen Rechtsanwalt beauftragt und dieser die Scheidung einreicht und der andere keine anwaltliche Vertretung hat. Diese ist möglich. Wichtig ist dabei aber, dass der beauftragte Scheidungsanwalt nicht beide Eheleute vertritt, sondern nur einen der Eheleute, nämlich allein seinen Auftraggeber. Es gibt durchaus Fälle, wo dies völlig ausreichend ist.

Andreas Martin
Andreas Martin