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Was ist der große und was der kleine Pflichtteil?

Was ist der große und was der kleine Pflichtteil?

Wenn es um das Erbe geht, dann hört der Spaß bei den Beteiligten oft auf. Dies merke ich in meiner Kanzlei in Berlin Marzahn immer wieder. Die Emotionen sind gerade in Erbfällen hoch und oft vermutet man, dass die Gegenseite nur auf einen Betrug aus ist. Wer als Ehegatte enterbt wurde, möchte wenigstens seinen Pflichtteil erhalten. Wie hoch der Pflichtteil des Mannes bzw. der Frau ist, dass wird oft falsch eingeschätzt.

Erbanspruch des Ehegatten

Wenn es kein Testament gibt und die gesetzliche Erbfolge eintritt, dann gehört der Ehegatte zu den gesetzlichen Erben. Aber auch hier wird oft falsch eingeschätzt, wie hoch eigentlich der Erbteil ist. Wenn die Eheleute in der Zugewinngemeinschaft gelebt haben, was der Normalfall und der gesetzliche Güterstand ist, hängt der Erbteil des Ehegatten von den weiteren Miterben ab. Neben Verwandten der ersten Ordnung (z.B. Kinder) beträgt der gesetzliche Erbteil 25 %, neben Verwandten der 2. Ordnung oder neben den Großeltern des Erblasser beträgt der gesetzliche Erbteil 50 % vom Nachlass.

Erbteil des Ehegatten ist doch immer die Hälfte?

Nein, und dies ist gerade das Missverständnis. Neben Kindern beträgt der Erbteil des Ehegatte 25 %. Geregelt ist dies in § 1931 Abs. 1 BGB. Trotzdem bekommt der Ehegatte oft 50 % des Erbes, aber nicht, weil er zu 50 % gesetzlich erbt, sondern weil der Gesetzgeber ihm zu seinem Erbteil von 25 % nach eine Pauschale für den Zugewinnausgleich von 25 % hinzugibt.  Geregelt ist dies in § 1371 Abs. 1 BGB. Damit sind 25 % (Erbquote nach Gesetz) und 25 % (pauschaler Zugewinn) ingesamt 50 % vom Nachlass.

Pflichtteilsanspruch des Ehegatten

Der Ehegatte gehört nach § 2303 Abs. 2 BGB zu dem Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen. Wird der Ehegatte also vom Erblasser z.B. durch Testament enterbt, dann hat er einen Pflichtteilsanspruch. Ein Pflichtteil besteht generell dann, wenn ein gesetzlicher Erbe seinen Erbanspruch nicht erhält, dabei ist es unerheblich, ob im Testament steht, dass der Ehegatte enterbt wird. Es reicht schon aus, wenn eine andere Person testamentarisch als Alleinerbe bestimmt wird. Der Ehegatte muss zum Zeitpunkt des Todes des Erblasser noch gesetzlicher Erbe gewesen sein. Wenn das Erbrecht nicht mehr besteht, kann auch ein Pflichtteil nicht geltend gemacht werden.

Pflichtteil ist ein Zahlungsanspruch

Der Pflichtteilsanspruch ist ein Zahlungsanspruch gegen die Erben und damit eine Nachlassverbindlichkeit. Der Anspruch besteht in Geld. Dies heißt wiederum, dass der Pflichtteilsberechtigte nicht Teil der Erbengemeinschaft und damit auch nicht dinglich berechtigt ist. Er kann keine bestimmten Nachlassgegenstände zur Befriedigung eines Pflichtteils herausverlangen, sondern sein Anspruch besteht nur in Geld. Anstelle des gesetzlichen Erbteils entsteht dann der Pflichtteilsanspruch in Höhe des hälftigen gesetzlichen Anspruches, welcher aber geltend zu machen ist.

Pflichtteilsergänzung

Neben den Anspruch auf Zahlung des Pflichtteil kann der pflichtteilsberechtigte Ehegatte auch noch einen Anspruch auf einen  Pflichtteilsergänzungsansprüche gem. § 2325 BGB haben, soweit der Erblasser in den letzten zehn Jahren vor seinem Tod Schenkungen an Dritte vorgenommen hat.

Quote des Pflichtteils

Die Pflichtteilsquote des Ehegatten, die auch die Höhe des Pflichtteils bestimmt, hängt im Erbfall davon ab, wer neben dem Ehegatten noch erbberechtigt ist, vgl. § 1931 Abs. 1 BGB. Von den möglichen Güterständen der Eheleute beeinflusst allein nur die Zugewinngemeinschaft die Quote. Bei der Höhe der Quote hat der Ehegatte die Wahl zwischen 2 Möglichkeiten. Dies gilt nur beim Bestehen des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft.

großer Pflichtteil oder erbrechtliche Lösung

Beim großen Pflichtteil oder auch erbrechtlichen Lösung steht dem enterben überlebenden Ehegatten als große Pflichtteil als nach § 1371 I erhöhter gesetzlicher Erbteil zu. Dieser beträgt neben Verwandten der ersten Ordnung ingesamt 1/4, da in dieser Quote bereits die pauschale Erhöhung für den Zugewinnausgleich enthalten ist.

kleiner Pflichtteil oder güterrechtliche Lösung

Bei der güterrechtlichen Lösung oder auch kleiner Pflichtteil genannt, steht dem enterbten, überlebende Ehegatte als Nachlassverbindlichkeit der rechnerisch genau ermittelte Zugewinnausgleich (§§ 1373 ff) sowie als Pflichtteil die Hälfte des nicht erhöhten gesetzlichen Erbteils des Ehegatten (§ 1931 I, II) zu (§ 1371 II Hs 2). Danach beträgt neben Abkömmlingen der Pflichtteil des Ehegatten ⅛ (12,5 %), neben Verwandten der zweiten Ordnung ¼ (25 %).

Zusammenfassung

Wird ein Ehepartner enterbt, hat dieser einen Pflichtteilsanspruch. Darüber hinaus kann auch ein Pflichtteilsergänzungsanspruch (bei Schenkungen) bestehen. Beim Pflichtteilsanspruch - sofern eine Zugewinngemeinschaft mit dem Erblasser bestand - hat der überlebende Ehegatte zwei Möglichkeiten. Er kann zum einen den gesetzlichen Pflichtteil und die pauschale Erhöhung (Zugewinn pauschal) verlangen. Dann beträgt sein Pflichtteilsanspruch gegenüber Kindern des Erblasser 25% (großer Pflichtteil genannt). Er kann aber auch den sogenannten kleinen Pflichtteil wählen und dann bekommt er nur einen Pflichtteil von 1/8 neben Kindern des Erblassers, aber er hat dann noch den konkreten Zugewinnausgleichanspruch.  Welche Lösung für den Ehegatten die bessere ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Wenn der Zugewinn des verstorbenen Ehegatten sehr hoch ist, dann bietet sich der kleine Pflichtteil an, ansonsten der große Pflichtteil.

Rechtsanwalt Andreas Martin - Berlin Marzahn

Andreas Martin
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