Voller Urlaub bei Kurzarbeit "Null"?
Corona und Kurzarbeit stehen oft im engen Verhältnis. Hier geht es um die Frage, ob man auch während der Kurzarbeit "Null" einen Urlaubsanspruch erwirbt oder nicht.
Beispielfall: Urlaub und Kurzarbeit
Beispiel: Laut Arbeitsvertrag stehen dem Arbeitnehmer 24 Arbeitstage an Urlaub pro Kalenderjahr zu. Im Jahr 2020 befand sich der Arbeitnehmer 6 Monate in Kurzarbeit "Null" und fragt nun, ob er für das Jahr 2020 nun 24 Arbeitstage hat oder nur die Hälfte (12 Tage).
Entscheidungen zur Frage des Erwerbs von Urlaub während der Kurzarbeit
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 12.03.2021 - 6 Sa 824/20) hat nun entschieden, dass der Arbeitgeber einen Anspruch auf Kürzung hat im Bezug auf den Urlaub, sofern der Arbeitnehmer sich in Kurzarbeit Null befunden hat. Dies ist umstritten. Es ist letztendlich noch nicht durch das Bundesarbeitsgericht entschieden worden. Der Europäische Gerichtshof hält eine Reduzierung des Urlaubs für den Zeitraum, in welchem keine Hauptleistungen im Arbeitsverhältnis erbracht werden, für zulässig. Entschieden hat dass der EuGH mit Urteil vom 22.4.2010, C-486/08.
aktuelles Urteil des LAG Düsseldorf
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte über folgenden Fall zu entscheiden: Die Arbeitnehmerin war infolge der Corona-Pandemie von April bis Dezember 2020 wiederholt in Kurzarbeit Null. In den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 war die Kurzarbeit Null durchgehen vom Arbeitgeber angeordnet worden. Im August und September 2020 hatte der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin insgesamt 11,5 Arbeitstage an Urlaub gewährt. Damit war die Arbeitnehmerin nicht einverstanden und hatte die Ansicht vertreten, dass ihr noch weiterer Urlaub zustehen würde und zwar der Urlaub, der während der Kurzarbeit Null erworben wurden.
Erwerb des Urlaubs problematisch
Es geht also nicht darum, ob ein Arbeitnehmer in dem Jahr, in welchem er in Kurzarbeit gearbeitet hat, ein Urlaubsanspruch hat, sondern allein darum, ob er einen Urlaubsanspruch anteilig während des Kurzarbeiterzeitraums Null erwirbt.
Begründung durch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf war genauso, wie die erste Instanz, der Meinung, dass während der Kurzarbeit Null kein Urlaubsanspruch entstanden ist. Dazu führte das Landesarbeitsgericht folgendes in seiner Pressmitteilung aus: "Aufgrund der Kurzarbeit Null in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 hat die Klägerin in diesem Zeitraum keine Urlaubsansprüche gemäß § 3 Bundesurlaubsgesetz erworben. Der Jahresurlaub 2020 steht ihr deshalb nur anteilig im gekürzten Umfang zu. Für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null war der Urlaub um 1/12 zu kürzen, was sogar eine Kürzung um 3,5 Arbeitstage ergeben würde. Im Hinblick darauf, dass der Erholungsurlaub bezweckt, sich zu erholen, setzt dies eine Verpflichtung zur Tätigkeit voraus. Da während der Kurzarbeit die beiderseitigen Leistungspflichten aufgehoben sind, werden Kurzarbeiter wie vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer behandelt, deren Erholungsurlaub ebenfalls anteilig zu kürzen ist. Dies entspricht dem Europäischen Recht, weil nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs während Kurzarbeit Null der europäische Mindesturlaubsanspruch aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG nicht entsteht. Das deutsche Recht enthält dazu keine günstigere Regelung. Weder existiert diesbezüglich eine spezielle Regelung für Kurzarbeit noch ergibt sich etwas anderes aus den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes. Insbesondere ist Kurzarbeit Null nicht mit Arbeitsunfähigkeit zu vergleichen. An alledem hat der Umstand, dass die Kurzarbeit der Klägerin durch die Corona-Pandemie veranlasst ist, nichts geändert."
Auflösung des obigen Beispiels
Nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Düsseldorf wäre das obige Beispiel so zu lösen, dass der Arbeitnehmer nur in den sechs Monaten, in dem er gearbeitet hat einen Anspruch auf Urlaub erworben hat. Damit steht ihm der Urlaub für sechs Monate Arbeit zu und dies wären dann die Hälfte des Jahresurlaubs, also 12 Arbeitstage an Urlaub. Während der Kurzarbeit hat der Arbeitnehmer hingegen keinen Urlaubsanspruch erworben.
Entscheidung des BAG
Die obige Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Das Landesarbeitsgericht hat ausdrücklich die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Es bleibt abzuwarten, was das Bundesarbeitsgericht hier entscheidet.
Rechtsanwalt Andreas Martin - Fachanwalt für Arbeitsrecht - Berlin Marzahn-Hellersdorf