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Darf man Urlaub während der Probezeit nehmen?

Darf man Urlaub während der Probezeit nehmen?

Viele Arbeitgeber meinen, dass der Arbeitnehmer während der Probezeit keinen Urlaub nehmen darf. Dies ist nicht richtig. Der Arbeitnehmer darf Urlaub nehmen, aber nicht den vollen Jahresurlaub.

Wann erwirbt man den kompletten Jahresurlaub?

Der Arbeitnehmer wirbt im bestehende Arbeitsverhältnis den kompletten Urlaubsanspruch bereits nach mehr als sechs Monaten Dauer des Arbeitsverhältnisses. Ab diesem Zeitpunkt kann der Arbeitnehmer den kompletten Jahresurlaub beanspruchen. Dies heißt, dass in den meisten Fällen - wenn die Probezeit 6 Monate beträgt - der Arbeitnehmer mit Ablauf der Probezeit auch einen Anspruch auf den vollen Jahresurlaub hat.

Muss man jedes Jahr 6 Monate arbeiten für den vollen Urlaubsanspruch?

Die Wartezeit nach § 4 des Bundesurlaubsgesetzes von sechs Monaten muss nur einmal abgeleistet werden. D. h., dass im nächsten Jahr, bereits am 1. Januar des neuen Jahres, der komplette Urlaubsanspruch entsteht. Beispiel: der Arbeitnehmer beginnt am 1.1.2020 und erwirbt damit am 1.7.2020 den vollen Urlaubsanspruch. Im nächsten Jahr kann er aber bereits am 1.1.2021 die kompletten Jahresurlaub verlangen. Er muss also nicht noch mal sechs Monate warten.

Kann man schon in der Probezeit den Urlaub nehmen?

Da die Regelung von § 4 des Bundesurlaubsgesetzes für viele Arbeitgeber so aussieht, dass man generell 6 Monate warten muss, bis man ein Urlaubsanspruch hat, wird diese oft missverstanden. Richtig ist zwar, dass der Arbeitnehmer den vollen Urlaubsanspruch erst nach sechs Monaten Wartezeit erwirbt, aber er erwirbt bereits in der Probezeit sogenannten Teilurlaub nach § 5 BUrlG.

Wie viel Urlaub kann man in der Probezeit nehmen?

Den kompletten Jahresurlaub kann man noch nicht nehmen, da ja noch keine sechs Monate rum sind. Der Arbeitnehmer hat  aber einen Anspruch auf Teilurlaub. Wie lang der Teilurlaub ist, hängt davon ab, wie lange der Arbeitnehmer bereits in der Probezeit tätig war. Der Arbeitnehmer hat also bereits bei einen gesetzlichen Teil-Urlaubsanspruch, abhängig von der Dauer seiner Beschäftigung. Der Teilurlaub beträgt nach § 5 Abs. 1, Satz 1 Bundesurlaubsgesetz genau ein Zwöftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Beispiel: Der Arbeitnehmer fängt am 1.2.2021 beim Arbeitgeber an. Mitte Juni 2021 möchte Urlaub nehmen. Er arbeitet in einer 6-Tage-Woche und hat den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch. Wie viele Tage kann er nehmen? Ergebnis: Der Arbeitnehmer kann 6 Tage Urlaub nehmen. Bis Mitte Juni 2021 hat er 3 volle Monate gearbeitet (der Juni zählt noch nicht als voller Monat). Der gesetzliche Urlaubsanspruhc beträgt 24 Werktage (24 ./.12 x 3 = 6 Tage).

Darf der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch verweigern?

Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer einen Teilurlaubsanspruch auch in der Probezeit/Wartezeit. Der Arbeitgeber darf den Anspruch nur dann verweigern, wenn dringende betriebliche Gründe dem entgegenstehen. Auf keinen Fall darf er diesen Anspruch dadurch torpedieren, dass er pauschal meint, dass man während der Probezeit keinen Urlaub nehmen darf. Dies ist nicht richtig und wäre unzulässig. Eine solche Regelung im Arbeitsvertrag wäre auch unwirksam. Dringende Gründe können sein: Urlaubsansprüche anderer Mitarbeiter starke (unvorhergesehene) Arbeitsbelastung Ausfälle anderer Mitarbeiter z.B. durch Krankheit

Ist es sinnvoll in der Probezeit seinen Urlaub zu nehmen?

Ob dies sinnvoll ist, muss jeder Arbeitnehmer für sich selbst entscheiden. Man sollte allerdings beachten, dass während der Probezeit/Wartezeit noch kein allgemeiner Kündigungsschutz besteht und der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ohne Grund kündigen kann. Von daher kann es für den Arbeitnehmer nachteilig sein, wenn er in der Probezeit bereits Teilurlaub nimmt. Dies sollte mal als Arbeitnehmer im Normalfall nur dann machen, wenn dies unbedingt notwendig ist.

Rechtsanwalt Andreas Martin - Kanzlei Marzahn-Hellersdorf

Andreas Martin
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